Arbeiten im Sand
Bei einer abermaligen Sichtung meines Photoarchivs bin ich auf etwas gestoßen, was sich für mich erst jetzt als eine eigenständige Werkgruppe erweist,- die „Sandzeichnungen“. Im Juli 67 als auch im Juli 68 befand ich mich an einem Meeresstrand, wo jeweils Zeichnungen im Sand entstanden sind.
1967 war ich noch mit meiner ersten Kamera unterwegs, einer sehr einfachen Box für 6×6 Filme. 1968 hatte ich meine erste Kleinbildkamera für Filme mit 24 bzw. 36 Bilder, die ich gebraucht erstanden hatte, ein ostdeutsches Modell. Erst im April 69 habe ich mir dann eine Ashai Pentax zugelegt, die mich die folgenden 3 Jahrzehnte begleiten sollten. Im Jahr 2001 habe ich eine kleine vollautomatische, aber noch analoge Leica erstanden. Dies markiert im Nachhinein was mir erst jetzt eigentlich bewußt geworden ist, nämlich das Ende meiner photographischen Tätigkeit.Die Photos, die ich seitdem gelegentlich noch mache, betrachte ich als Snapshots. Während ich früher ausschließlich s/w Photos machte, macht es mir heute nichts mehr aus, auch farbig zu fotografieren.
Im folgenden möchte ich auf die Sandzeichnungen von 67 eingehen: Sie haben bildhaften Charakter bis hin zu abstrakten Zeichenformationen. Bei einigen sind auch Objekte eingebaut, die zufällig als Strandgut vorhanden waren. Die Photos 9 und 11 habe ich seinerzeit auf einem Format von 100×100 cm aufgezogen. Für Photo 9 wurde mir ein Preis von der Akademie zuerkannt. Bild 5 ist eine solitäre Ausnahme insofern, als der eigene Schatten und der rechte Fuß das Bild bestimmen. Einige Zeichnungen sind so dicht am Meer entstanden, so daß sie mit der nächsten Welle wieder gelöscht wurden. Die Photos 1-4 beziehen sich auf die zur selben Zeit (1967) gemalten „Büll-Bilder“ und Radierungen. Die Bezeichnung „Büll“ ist eine literarische Figur, die mein Freund Volker Kinnius erfunden hatte und der ich einen bildhaften Ausdruck verleihen wollte.
Nach Italien, in die Umgebung von Sperlonga, kam ich deshalb, weil ich von 2 Kunststudentinnen der Akademie als Reisebegleiter engagiert worden war. Die beiden Mädchen wollten in Meeresnähe malen, ich hingegen ging am Strand spazieren und verfiel auf die Idee, im Sand zu zeichnen.
Die Sandzeichnungen vom dänischen Strand gleichen durchweg abstrakten Zeichen. Einige wirken vage, andere kraftvoll, bestimmt. Möglicherweise ist an ihnen der Einfluß von Tapies ablesbar, des von mir seinerzeit sehr geschätzten katalanischen Künstlers.
Im Sommer 68 war ich mit meinem Cousin Eberhard und einigen seiner Freunde unterwegs nach Norwegen. Ein Picknick-Aufenthalt an einem dänischen Strand gab mir Gelegenheit, meiner Faszination nachzugehen wie schon im Juli des Jahres zuvor in Italien.
Der Faszination SAND erlag ich dann noch einmal in Kalabrien, an einem Strand in der Nähe von Crotone, im Jahr 1982. Dort formte und photographierte ich Kegel aus Sand, ohne zu ahnen, daß daraus später die Idee zu dem runden, mit Sand beladenen Tisch im Lenbachhaus werden sollte, die Installation mit dem Titel „Für das Jahr 1984 und die Zeit danach“.
Kurt Benning, Februar 2015
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Italien, Juli 1967
Dänemark, Juli 1968
Vulcano, Äolische Inseln, September 1982
Kurt Benning in seinem Atelier in der Münchener Kunstakademie, 1968. Im Hintergrund die Fotografie einer Sandzeichnung aus dem Jahr 1967.