Morandi e Pompeji
Diese Photo-Sequenz (1-18) entstand in Neapel und München, Juni/Juli 1981. Im Museo Nazionale in Neapel machte ich eine Reihe von Aufnahmen des Modells der Ausgrabungen von Pompeji. Im Haus der Kunst in München entstanden einige Photos während des Aufbaus einer Morandi-Ausstellung.
Als der Film entwickelt war, mußte ich zu meinem Leidwesen feststellen, daß sich einige der Photos von Neapel und München überlagerten, der Film also doppelt belichtet war. Die anfängliche Enttäuschung über dieses Mißgeschick war groß, doch anstatt den Film wegzuwerfen, akzeptierte ich die Zufallsfügung der unbeabsichtigten Überlagerung, die mir nun in eigentümlicher Weise richtig und schlüssig erschien. So entstand die Sequenz „Morandi e Pompeji“.
Die Vorstellung, Morandi und Pompeji zusammen zu sehen, war mir neu, und zugleich einleuchtend. In mancherlei Hinsicht sah ich Konvergenzen, die sich treffen im metaphysischen Schwerpunkt des Stillebens, als natura morta. Im letzten Bild der Serie, dem pompejianischen Mosaik mit der Darstellung eines Skeletts und den leeren Krügen an den herabhängenden Armen kommt dies geradezu exemplarisch zum Ausdruck.
Ein weiterer, völlig überraschender Aspekt der Sequenz sind die Photos mit den beiden Figuren, die mit der Hängung der Morandi-Ausstellung beschäftigt sind. Durch die Doppelbelichtung wirken sie wie Giganten, die die Ruinen von Pompeji überragen. Bei den „Figuren“ handelt es sich um Franz Armin Morat, den Initiator der Ausstellung, und Heinz Herzer, einem Münchner Galeristen.
Abschließend sei noch eine biographische Anekdote erwähnt, Herrn Morat und mich betreffend: Als ich Morat im vergangenen Herbst in Freiburg traf, waren seit unserer letzten Begegnung fast 30 Jahre vergangen, doch trotz des fortgeschrittenen Alters erkannten wir uns wieder. Vor dem Treffen hatte ich daran gedacht, ihm mein handgemachtes Unikat der Morandi e Pompeji – Sequenz zu zeigen, das 30 Jahre lang in meiner Schublade lag. Es ist mir heute ganz unbegreiflich, warum ich nicht schon damals, nach Morats Morandi-Ausstellung, ihm diese Photos zukommen ließ. – Vielleicht erschienen sie mir damals nur wie ein Kommentar en passant ohne historischen Grund, zu dem sie offenbar erst heranreifen mußten, nach all der Zeit. Nachdem jedoch Herr Morat Interesse an der Sache zeigte, habe ich mich zu der hier vorliegenden, verbesserten Fassung entschlossen.
Kurt Benning, München, Februar 2011